SETO-KERAMIK
1000 JAHRE GESCHICHTE IM WANDEL
Um Seto-Keramik zu verstehen, ist ein Besuch im Seto-Gura Museum ein Muss. Das Museum lässt einen nämlich erst wirklich erahnen, wie wichtig die Keramikindustrie für die Stadt Seto in der Aichi Präfektur in der Nähe von Nagoya war und heute auch noch ist. Tatsächlich machen Mino und Seto, zwei nur wenige Kilometer voneinander entfernte Keramikzentren, mehr als die Hälfte der Keramikproduktion Japans aus[1]. Seto-Keramik war so verbreitet, dass der Begriff „Setomono“ (Seto Gegenstand) synonym für (glasierte) Keramik im Allgemeinen stand. Die erstaunliche Vielfalt der Stile in Seto zeugt von einer reichen, ununterbrochenen Geschichte von über 1000 Jahren.
Wie und warum konnte Seto sich über die Jahrhunderte hinweg als innovatives und kreatives Keramikzentrum etablieren?
- Perfekte Bedingungen für Keramikherstellung
Das lokale Terroir
Einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg von Seto-Keramik liegt sicherlich im einzigartigen Terroir der Umgebung, das über eine Fülle an natürlichen Ressourcen verfügt.
Besonders hervorzuheben sind die verschiedenen Arten von Ton, Kibushi und Gairome Ton, die sich durch ihren hohen Anteil an Kaolin und Quarzpartikel auszeichnen. Durch den sehr niedrigen Anteil an Eisen lassen sich äußerst weiße Keramiken und Porzellan schaffen. Die hohe Feuerbeständigkeit und Formbarkeit des lokalen Tons eröffnen ebenfalls Möglichkeiten für eine große Palette an Stilen sowie ferner auch weitere industrielle keramische Produktionen.
In früheren Zeiten war der leichte Zugang zu reichlich verfügbarem Brennholz ebenfalls ein großer Vorteil. Heute sind Holzöfen wie Anagamas oder Noborigamas in der Stadt jedoch verboten, was die meisten Keramiker auf Gas- oder Elektroöfen zurückgreifen lässt.
Die Infrastruktur Setos
Die Entwicklung moderner Transportmöglichkeiten, wie die Eisenbahn im 19. Jahrhundert waren weitere ausschlaggebende Faktoren für eine wachsende Produktion. Die lokale Industrie organisierte sich dementsprechend, mit einer Vielzahl an kleinen Manufakturen, die sich auf bestimmte Stile oder Produkte spezialisierten und eng mit Zulieferern für Ton, Maschinen, Brennholz etc. zusammenarbeiteten. Einen Einblick in die gut eingespielten und faszinierenden Abläufe bietet das Seto-Gura Museum mit dem beeindruckenden Nachbau des Owari-Seto Bahnhofs.
Kamagaki no Komichi, Seto
Zäune aus Keramikgefäßen und Kapseln säumen die Strassen der Stadt
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Kundenorientierung und Innovation
Kundenorientierung und Innovation
Sanage Gefäß - Heian Periode (794–1185)
The Metropolitan Museum of Art
The Harry G. C. Packard Collection of Asian Art, Gift of Harry G. C. Packard, and Purchase, Fletcher, Rogers, Harris Brisbane Dick, and Louis V. Bell Funds, Joseph Pulitzer Bequest, and The Annenberg Fund Inc. Gift, 1975
1975.268.426
Ko-Seto Ascheglasur Vasen (Kamakura-Periode 13. Jhdt)
Seto-Gura Museum, Seto
a. Entwicklung glasierter Keramik
Ursprung in Sanage
Seto war das einzige Keramikzentrum der sechs historischen Öfen (Bizen, Echizen, Tamba, Tokoname, Shigaraki und Seto), das glasierte Keramik herstellte: eine Keramik, die mit einer gefertigten Glasur gebrannt wurde. Die anderen Öfen brannten ihre Keramiken weiterhin im Holzbrandofen ohne Glasur und nur mit zufälligen Ascheanflug.
Seit dem 7. Jahrhundert, als chinesische glasierte Keramik als Luxusgüter importiert wurden, verfolgte Seto technische Innovationen, um ebenfalls lokale glasierte Keramiken schaffen zu können und die lokale Nachfrage befriedigen zu können. Sanage, eine Region im Südwesten von Seto, hatte schon das Potenzial von Ascheglasur, die zufällig im Holzbrand entsteht, erkannt und durch Entwicklungen im Brennprozess und den Glasurkompositionen, eine stabile Fertigung von Glasuren zum anmalen und eintauchen gemeistert. Seto führte diese Errungenschaften ab der Mitte des 11. Jahrhunderts weiter und war danach bis zum 15. Jahrhundert das einzige Zentrum für glasierte Keramik.
Ko-Seto Keramik (古瀬戸)
Unter dem Begriff Ko-Seto (altes Seto) entstanden so neue gelbe und hellgrüne Ascheglasuren. Auch neue, von China inspirierte, Dekorationsstile wie gravierte, gebürstete oder gestempelte Muster, die auf dem hellen, fast weißem Ton perfekt zum Ausdruck kamen, verbreiteten sich. Später folgten auf Eisenoxid-basierende Glasuren, die tiefbraune oder fast schwarz glänzende Teekeramiken wie Temmoku Schalen oder Chaire (Teebehälter) ermöglichten. Dank Innovationen, vor allem im Brennprozess, entstanden weitere Glasuren, wie die klare Ofuke (御深井) Glasur.
Auch wenn die Seto-Keramiken die chinesische Yue und Song Keramik als Vorbild nahmen, so waren sie doch nie nur einfache Imitationen. Die Materialität der lokalen Ressourcen, der Glanz der Glasuren und der japanische Dekorationsstil verliehen den Kreationen schnell einen eigenen japanischen Stil.
Temmoku Schale - Edo Periode (1615–1868)
The Metropolitan Museum of Art
Edward C. Moore Collection, Bequest of Edward C. Moore, 1891
91.1.222
Chaire Teebehälter - Edo Periode (1615–1868)
The Metropolitan Museum of Art
Edward C. Moore Collection, Bequest of Edward C. Moore, 1891
91.1.336a,b
Yamachawan und Mino-Glasuren
Die lokale glasierte Keramik war, obwohl weit verbreiteter als importierte Chinaware, trotzdem noch dem erhabeneren Teil des Volkes und den religiösen Institutionen vorbehalten. Daher entwickelte sich auch parallel im 11. und 12. Jahrhundert die Produktion der Yamachawan – Bergschüsseln – in Seto. Diese unglasierte Keramik, etwas gröber gefertigt war für ein größeres Publikum zugänglich.
Das enge Verhältnis mit der benachbarten Mino Region in der Gifu Präfektur, wo Kimura Hajime seine Werktstatt hat, ließ auch deren innovative neuen Glasuren für die Teezeremonie wie Ki-Seto, Seto-guro und Oribe in Seto Fuß fassen. Tatsächlich war die Mino Gegend, welche u.a. die Städte Toki, Kujiri, Tajimi und Kani umfasst, am Ende des 16. Jahrhunderts durch die Unterstützung des Daimyō Oda Nobunaga (1534-1582) zur wichtigeren Produktionsstätte geworden. Mit dem Beginn der Edo-Era (1603-1868) und der Owari Tokugawa Regierung, wurde Seto jedoch wieder in den Vordergrund gerückt.
Yamachawan (11.-12. Jhdt)
Seto-Gura Museum, Seto City
b. Sometsuke Porzellan (染付)
Nach dem Erfolg von Arita in Kyushu mit Porzellan im 18 Jahrhundert, brachte laut Legende Kato Tamikichi (1772-1824) die Kunst des bemalten Porzellans von Kyushu nach Seto. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Seto, auch dank des großen Vorkommens an hochwertigem, Kaolin-haltigen Ton welches für Porzellan nötig ist, zum Sometsuke Zentrum.
Sometsuke, was so viel wie Färben bedeutet, ist ein blau-weiß dekoriertes Porzellan. Das besondere, weiche Blau wird mit Gosu, unreinem Kobalt, erzielt. Die Kreationen muten dadurch oft wie Tuschemalerei an.
Neben Sometsuke nahm auch die Nachfrage nach westlichem Porzellan zu. Porzellan bildete somit ein zweites, später sogar größeres, Standbein unter dem Begriff Shinseiyaki本業焼, was so viel wie Neue Produktion bedeutet, neben der ursprünglichen Steingut und Steinzeug Keramik Hongyōyaki 本業焼 (Urspüngliche Keramik).
Sometsuke Schale,
Seto Guro Museum, Seto
Sometsuke Schale,
Hongyō Museum, Seto
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Design im Wandel der Zeit
Design im Wandel der Zeit
Umanome Ishizara - Pferdeaugen Teller,
Hongyō Museum, Seto
Trendige Designs
Während Porzellan zunehmend einen wichtigeren Teil der lokalen Produktion einnahm, adaptierte Seto auch weiterhin die Hongyō Steinzeug- und Steingutkeramik und entwickelte eine Vielfalt an Stilen. Die Designs passten sich mit der Zeit an dem jeweiligen Kundengeschmack an. Während volkstümliche Motive wie das berühmte Uma no Me (Pferdeauge) weitgehend beliebt waren, entwickelten sich geometrische Muster wie z.B. das Mugiwara-Motiv (Gerstengras) in kontrastierenden Farben als typisches Design für alltägliches Gebrauchsgeschirr, ein Muster welches bis heute noch als charakteristisch für Seto-Keramik gilt.
Kacheln und Industriekeramik
Neben Geschirr baute sich aufgrund der hervorragenden Grundmaterialien und der vorhandenen Infrastruktur eine industrielle Keramikwirtschaft aus. Die Region wurde für die Herstellung von Kacheln und Sanitärkeramik bekannt. Auch heute noch ist die kunstvolle und kreative Kachelindustrie für Seto, sowie für Mino, eine äußerst wichtige Industrie.
Exportkeramik
Doch vor allem der Export sollte der Seto Region im 20. Jahrhundert einen neuen Schub geben. In der Meiji-Periode (1868-1912) und mit der Teilnahme an Weltausstellungen positionierte Japan sich international als Porzellanhersteller. Seto folgte daraufhin der Nachfrage der lokalen aber vor allem auch der internationalen Kunden und spezialisierte sich in der Produktion von westlichem Porzellan. Seto etablierte sich ebenfalls als Exporteur von westlichen Porzellanfigurinen und Dekoartikeln. Tatsächlich war die Nachfrage auf dem internationalen Markt dafür groß, da Deutschland, als großes Herstellerland, während des 1. Weltkrieges die Produktion einstellen musste.
Seto-Keramik heute
Die Seto Region hat sich über ihre mehr als 1000 Jahre Geschichte den Gegebenheiten der Zeit und vor allem als sehr Kundenorientiert der Nachfrage, lokal wie international, angepasst. Mit Tatendrang, Innovationen und einer natürlichen hochqualitativen Fülle an Ressourcen konnte Seto sich so einen Platz im stetigen Wandel der Keramikwelt schaffen.
Auch wenn heutzutage die Produktion aufgrund von veränderten Lebensstilen und die damit einhergehende geringere Nachfrage nach handgemachten Keramiken stetig zurückgeht, sind noch immer neben größeren Manufakturen viele Einzelkämpfer wie zum Beispiel Ito Chiho zu finden. Sie greifen auf ein großes Wissen zurück und tragen durch ihre eigenen, neuen Ideen dazu bei, diese lange Geschichte weiter fortzuführen.
Mehr über Seto
Für alle die mehr über Seto entdecken wollen, oder gar in Seto zu Besuch sind, gibt es einige empfehlenswerte Museen zu besuchen, wie das Seto Gura Museum oder das Seto Blue and White Ceramics Center. Etwas außerhalb gewährt auch der Kamagaki no Komichi Weg mit dem Hongyō Museum einen Blick in frühere Zeiten.
Bibliographie und Links:
[1] https://www.gpc-gifu.or.jp/chousa/jiba/2021/ceramics.pdf
https://ceramic-japan.co.jp/setomono/
https://en.sixancientkilns.jp/seto/
Seto and Mino Ceramics, Japanese Collections in the Freer Gallery of Art, Louise Allison Cort (https://ia804709.us.archive.org/28/items/setominoceramics00cort/setominoceramics00cort.pdf)