Wie das Spiel mit dem Feuer der Keramik Seele verleiht
Eine kurze Einführung in die Welt der Japanischen Brennöfen
Einblicke in keramische Brennprozesse
Keramik ist eine Kunst, die Geduld, Fleiß und Ausdauer erfordert. Es sind die zahlreichen Versuche und Fehler, die Erfahrungen, die dem Töpfer das nötige Verständnis für die Elemente und die Werkzeuge geben, mit denen er seinem Handwerk nachgeht. Die Komplexität der Keramik rührt von den natürlichen Elementen, die sie ausmacht: Ton und Feuer. Mehr als der technische Aspekt des Töpferns ist es das Verständnis für den Ton - ihn zu spüren, ihn zu verstehen - um daraus ein ausdruckstarkes Gefäß oder Objekt zu machen, welches eine gewisse Sensibilität und Subjektivität voraussetzt. Noch komplizierter gestaltet sich der ganze Brennprozess: nachdem die Stücke geschickt und kreativ gedreht oder aufgebaut, mit sorgfältig ausgearbeiteten Rezepten glasiert worden sind, müssen die Kreationen dem Feuer im Brennofen „überlassen“ werden. Denn am Ende wird der Brand der entscheidende Moment sein – the make or break (im wahrsten Sinne des Wortes) des Endergebnisses. Mit viel Erfahrung und ein bisschen Hilfe der Ofengötter, entpuppen sich die Stücke meist wie geplant, mal etwas besser, mal etwas schlechter als erwartet.Magie, die wahrlich außergewöhnliche Stücke entstehen lässt, passiert erst dann, wenn man sich dank einer tiefen Kenntnis des Ofens auf die zufällige, geniale Fügung des Feuers einlassen kann – oder eigentlich loslassen kann!
Lassen Sie uns gemeinsam diese magische Welt entdecken!
- Ein kurzer Überblick verschiedener Ofentypen heutzutage
Ofenarten
Mit dem technischen Fortschritt können Töpfer heutzutage auf eine Vielzahl unterschiedlicher Brenntechniken zurückgreifen. Jede Ofenart hat seine Vor- und Nachteile und ist mehr oder weniger besser für bestimmte Stile und Effekte geeignet. Einige Töpfer verwenden sogar mehrere verschiedene Brennöfen, je nach kreativem Ziel.
Mit der Entscheidung des Brennofens ist es allerdings bei weitem nicht getan. Tatsächlich fängt die lebenslange Aufgabe des Beherrschens des Brennofens dann erst an, wie ein heiliger Graal, der sich jeder wahre Töpfer verschrieben hat.
Die gängigsten Arten von Öfen sind heutzutage folgende:
- Elektroöfen
- Gasöfen / Kohle / Kerosin / Heizöl
- Holzöfen
- Alternative Öfen wie Raku
Elektro- und Gasöfen
Elektro- und Gasöfen bieten sicherlich die beste Plan- und Berechenbarkeit, da sie über fortschrittliche technische Merkmale verfügen, wie zum Beispiel elektronische Temperaturregelung während der verschiedenen Brennphasen. Dank solcher technischen Errungenschaften ist das Resultat zuverlässiger. Gerade für Einsteiger bietet das den Vorteil, dass sich Glasurrezepte konsequenter ausprobieren und wiederholen lassen. Da vieles automatisch abläuft, ist auch der Aufwand des Brennens geringer – keine Nachtschichten, um Feuer zu schüren. Diese Brennöfen bieten zwar mehr Stabilität, haben aber den Nachteil, dass Spezialeffekte, wie sie mit Holzöfen erzielt werden, fast nicht möglich sind (aber auch nicht unmöglich!). Tatsächlich brennen Elektroöfen z.B. in Oxidation, was das Spektrum der Glasureffekte etwas einschränkt.
Gasöfen oder Kerosin- und Ölöfen bieten ähnliche Vorteile wie elektrische Öfen in dem Sinne, dass sie mehr Kontrolle und damit Zuverlässigkeit bieten. Im Vergleich zu Elektroöfen bieten sie jedoch mehr Möglichkeiten für kreative Effekte wie z. B. reduktives Brennen.
Holzbrand Öfen
Holzöfen sind die unberechenbarsten und aufwendigsten Öfen, da viel von den Umgebungsbedingungen abhängt. Die Konstruktion des Ofens, die Holzart, die Luftfeuchtigkeit, die Disposition der Stücke im Ofen – jedes noch so kleine Detail spielt eine Rolle und beeinflusst das Endresultat. Was mich am meisten beeindruckt sind die zufälligen Effekte, die erzielt werden können, wie z.B. ein natürlicher Aschenanflug oder Verfärbungen (Yohen) vom Feuer und Rauch. Nur durch Erfahrung wissen Töpfer, wie lange sie brennen, wann sie schüren und wann sie die Hitze reduzieren müssen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Einige Töpfer kennen ihre Brennöfen so gut, dass sie nicht einmal pyrometrische Messgeräte verwenden, um beispielsweise die Temperaturentwicklung in ihrem Brennofen zu überwachen. Dem Feuer zu lauschen und zuzusehen, wie sich seine Farben verändern, ist für sie zuverlässiger als Messgeräte.Rakuofen
Raku-Öfen sind eine weitere kreative Alternative. Unter Rakubrand wird interessanterweise in Japan und in westlichen Ländern nicht ganz der selbe Prozess verstanden. Im 16. Jahrhundert von Chojiro eingeführt war Raku auch bei Teeliebhabern und Hobbytöpfern beliebt, da die kleinen, handlichen Brennöfen auch im urbanen Umfeld in Kyoto befeuert und zum Brennen von einzelnen Teeschalen genutzt werden konnten. Die Technik des „Hikidashi“ – das Herausnehmen der Schale auf dem Höhepunkt des Feuers, um sie dann schnell abzukühlen – verlieh der Glasur eine besondere tiefe schwarze Tönung, die von Teeliebhaber besonders hochgepriesen wurde. In westlichen Ländern hingegen werden die Gefäße mit verschiedenen Materialien wie Heu in luftdichten Behältern, nachdem sie aus dem Ofen genommen wurden, geräuchert. Rakubrand ermöglicht vielfältige kreative Ideen und v.a. auch mehr Unmittelbarkeit dank der kleineren Produktionen und dadurch auch kürzeren Brennzyklen. Marie Juges bezaubernde Silhouetten wurden beispielsweise mit dieser Methode erschaffen.
- Eine kurze Geschichte der Ofenentwicklung in Japan
Ein bisschen Geschichte...
Mit einer Geschichte, die mehr als 15.000 Jahre umfasst, ist Japans Töpfergeschichte äußerst reich. Auch wenn viele Innovationen im eigenen Land vorangebracht wurden, war der Austausch mit anderen Ländern, allen voran Korea und China, immer wieder eine Quelle für bahnbrechende Entwicklungen. So zum Beispiel die Einführung der Drehscheibe und der Tunnelöfen (=Anagama) im 5. Jahrhundert [1].
Frühere Brennmethoden, hauptsächlich in Gruben oder Lagerfeuer, konnten nur relativ niedrige Temperaturen erreichen. Mit dem Anagama wurden neue Maßstäbe gesetzt: durch die Größe und die verbesserte Qualität, wie z. B. Wasserdichtigkeit dank höherer Temperatur, konnte sich die Keramikproduktion entwickeln. Mit der Zeit kamen weitere technische Verbesserungen hinzu, wie z. B. Mittelpfeiler im 10. Jahrhundert, die den Ofen teilten und somit auch das Feuer, die Asche und den Rauch im Ofen steuerten. Anfang des 17. Jahrhunderts wurden dann die ersten Noborigama, eine Art Kletterofen mit mehreren einzelnen aufeinanderfolgenden Kammern an Hügelhängen geschmiegt, zum Standard. Diese Öfen waren effizienter, da sie sich die Hangneigung zu Eigen machten und die verschiedenen Kammern temperaturmäßig besser steuern konnten. Diese Art von Holzofen ist bis heute noch eine der gängigsten in Japan[2].
[1]Inside Japanese Ceramics, Eine Einführung in Materialien, Techniken und Traditionen - Richard L. Wilson, S. 142-144
[2]Inside Japanese Ceramics, Eine Einführung in Materialien, Techniken und Traditionen - Richard L. Wilson, S. 142-144
Historische Öfen in Bizen
In Bizen hatte ich die Chance, die Überreste der großen Ogama (=große Brennöfen auf Japanisch) zu besichtigen, von denen angenommen wird, dass sie am Ende der Muromachi-Ära im 16. Jahrhundert gebaut worden sind. Die schiere Größe lässt erahnen, was für eine Industrie die Keramik schon damals war. Der größte Ogama war 53,8 m lang und konnte bis zu 35.000 kleine Stücke in einem Brennvorgang, der bis zu 35 Tage dauerte, brennen.Gemeinschaftliche Nutzung
Während professionelle Töpfer heutzutage zumeist ihre eigenen Brennöfen haben, war dies nicht immer der Fall. Holzöfen wurden kollektiv von einer eng verbundenen Gemeinschaft von Töpfern oder Töpferfamilien verwendet. Kawai Kanjiro, einer der bekanntesten Töpfer Japans, stellte seinen Noborigama Ofen auch anderen Töpfern zur Verfügung. Auch Hayashi Yasuo gewährt in der großartigen Publikation „Listening to Clay“ einen beeindruckenden Einblick in die Schwierigkeiten, eine Töpferei zu führen, wenn man von einem kommunalen Brennofen abhängig ist. Er erzählt von der Herausforderung seinen Platz im Ofen zu sichern (und zwar nicht irgendeinen, sondern den richtigen Platz für die Effekte, die man erzielen will!), die richtige Menge und Größe der Produktion für den nächsten Brand einzuschätzen und einen Produktionszeitplan zu erstellen und nicht zuletzt von der Mühsal des Transportes (mit dem Fahrrad!) der Rohlinge zum Brennofen und den Vorbereitungen vor Ort.[1] Diese Erzählungen zeigen auf, wie komplex das Töpferhandwerk ist und gleichzeitig wie viele Möglichkeiten sich bieten (könnten).
[1]Listening to Clay: Conversations with Contemporary Japanese Ceramic Artists – Alice North, Halsey North, Louise Cort and Monika Bincsik – Chapter on Hayashi Yasuo
3. Wo die Magie geschieht
Warum ich das alles schreibe, werden Sie mich vielleicht fragen. Abgesehen von den verblüffenden Zahlen und den faszinierenden Einblicken in der komplexen Technik ist es mein Ziel, Ihnen etwas mehr über die Entstehung der Kreationen in unserer Galerie mitgeben zu können.
Japan ist für die Vielfältigkeit der Keramikstile bekannt. Wenn es jedoch eine Art von Keramik gibt, für die Japan bekannt ist und die den Ofenzauber am besten zur Geltung bringt, dann ist es unglasierte hochgebrannte Ware aus Shigaraki oder Bizen.
Der Inbegriff des Holzbrandes in Japan: Yakishime
Der Stil dieser Töpferregionen ist „Yakishime “ und könnte wörtlich als „fest gebrannt“ übersetzt werden. Der lokale Ton wird bei hoher Temperatur von bis zu 1500°C wasserdicht und eignet sich bestens für den natürlichen Ascheglasureffekt, der in Holzöfen entsteht. Das Feuer erzeugt Asche, die durch Zugluft die Kammern entlang gleitet und bei hoher Temperatur auf dem Geschirr verglast. Dadurch entstehen schöne, zufällige Muster oder Markierungen. Zusätzliche Techniken, wie Hidasuki – rote Kordelmuster, die durch Strohseile erzeugt werden, die um die Teile gewickelt wurden und in der Hitze mit dem Eisen im Ton reagieren, bringen das Zusammenspiel mit dem Feuer auf den Höhepunkt.When Magic happens...
Die atemberaubenden Effekte variieren je nach Holzart, Brenndauer, Platzierung der Ware im Ofen und sogar der Anzahl der Brennvorgänge. Je besser ein Töpfer seinen Ofen kennt, desto mehr kann er diese natürlichen Effekte herauskitzeln. In der Tat ermöglicht das Verständnis, wie sich das Feuer im Ofen entfaltet, die Auswirkungen vom Ascheanflug vorherzusehen und die Ware entsprechend im Ofen zu platzieren.
Es ist faszinierend zu sehen (auch wenn es nur auf Youtube ist), wie Töpfer Tag und Nacht während des Brandes am Ofen verbringen und wie die Spannung steigt. Jede Entscheidung wirkt sich auf das Endergebnis aus: die Entscheidung an dem Tag den Brand zu starten, die Auswahl des Holzes, die Platzierung der Keramiken im Ofen, das Weiterschüren oder im Gegenteil, das Abkühlen einer Kammer...
Jeder Brennschritt erfordert viel Erfahrung, Konzentration und nicht zuletzt das Wohlwollen der Natur. Denn am Ende ist es doch die Natur, die bei so vielen Variablen, über den Erfolg eines Brandes entscheidet… Angesichts der Macht der Natur ist es nur verständlich, dass jeder Brand zuallererst mit einem kleinen Gebet an die Ofengötter begonnen wird – und mit einem Schluck Sake für den Ofen.
Kampai!