Karatsu Keramik
Rustikale Eleganz
- Der Terroir der Karatsu Keramik
Geographische Lage
Um Karatsu Keramik besser zu verstehen ist es wichtig den Terroir, das Umfeld, aus dem diese Keramik entsteht, zu erkunden. Von Tokio aus ist es eine lange Reise bis nach Karatsu in der Saga Präfektur, an der Westküste Kyushus. Mit dem Shinkansen bis nach Fukuoka geht es zügig, man hat kaum Zeit die Landschaft zu sehen, danach geht es mit dem lokalen Zug langsam und manchmal ruckelnd entweder an der Küste entlang oder über Kurume und Saga durch idyllische Reisfelder.
Genauso wie die Keramik von Karatsu, birgt Karatsu einen versteckten Charme, der sich einem erst nach und nach erschließt. Einerseits gibt es das Stadtzentrum mit seinen vielen kleinen Galerien und Boutiquen, anderseits die Küste mit einem wunderschönen Strand, der sich über mehrere Kilometer und Stadtteile erstreckt, und nicht zu vergessen, das gebirgige, üppige Hinterland.
Tonarten und Materialien
Die Vielfalt an Landschaften bringt auch eine Vielfalt an verschiedenen Tonarten und Materialien für die Glasur. Der mehr oder weniger eisenhaltige Suname Ton aus Karatsu ist relativ grob und von sandiger Konsistenz, was ihm eine wunderbare Textur und etwas rustikales verleiht. Klassische Karatsu Teeschalen mit hohen Füßen, Kodais, bringen z.B. durch die Chirimen Jiwa Verarbeitung, eine Art Kreppmuster, diese feine und zugleich raue Textur besonders gut zum Vorschein.
Auch die Vielfalt an Holz, sowie die üppigen Reisfelder bieten eine große Auswahl an Materialien für den Holzbrand und die Glasuren. So werden für Karatsu Keramik hauptsächlich Ascheglasuren aus Holzasche, Strohasche und Reishülsenasche verwendet. Für den Brand, nutzen viele der Töpfer auch heute noch die traditionellen Noborigama Öfen und das lokale Kiefernholz.
Ursprung des Namens
Zusätzlich zum Terroir definiert die geographische Lage Karatsus den Namen und den Stil der Keramik. Karatsu befindet sich am nähesten zum Festland von Korea und China und bedeutet „Hafen Chinas“. Die Karatsu Keramik verdankt ihren Namen eigentlich dem Hafen, aus dem die Keramikware nach ganz Japan verschifft wurde, und nicht wie sonst üblich dem Herstellungsort. Die meisten Werkstätten damals befanden sich nämlich nicht in der Stadt Karatsu selbst, sondern im Großraum Hizen, heute bekannt als Saga und Nagasaki Präfektur, dabei vor allem in den Bergen Kishidakes im Landesinneren.
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Die Geschichte der Karatsu Keramik
Die Geschichte der Karatsu Keramik
Koreanischer Einfluss
Auch wenn die Herstellung von Karatsu Keramik schon auf die 1580‘ Jahre zurückgeführt werden kann, ist der lokale Stil vor allem von den Geschehnissen aus dem späten 16. Jahrhundert geprägt. 1592-1598 führte Toyotomi Hideyoshi (1537-1598) Krieg gegen Korea und China. Durch diese Imjin Kriege wurden viele koreanische Töpferfamilien nach Japan gebracht und mit ihnen kamen Innovationen wie zum Beispiel der Kerokuro – die Fußdrehscheibe - und die Noborigama Brennöfen, die sich schnell in ganz Japan verbreiteten.
Auch die stilistischen Charakteristiken der damals blühenden Buncheong Keramik aus der ersten Hälfte der Joseon Era (1392-1910), wie zum Beispiel dekorative Elemente der Malerei, Intarsien (Einlegearbeit) wie auch Engobe und Glasuren, fanden in Karatsu als Mishima oder Hakeme Stil Einfluss.
Einfluss der Teezeremonie
Ursprünglich war Karatsu Yaki vor allem für Tischgeschirr des täglichen Gebrauchs gedacht. Im 16. Jahrhundert kam noch ein weiterer wichtiger Faktor ins Spiel: die Teezeremonie. Sie galt als wichtiges politisches und soziales Instrument, als Gelegenheit zum Austausch und, in modernen Worten ausgedrückt, als Networking Platform für die Elite. Die Teemeister spiegelten die damaligen ästhetischen Werte und Trends in der Wahl der Teeutensilien wider.
Das 16. Jahrhundert war stark von Sen no Rikyūs (1522 – 1591) Konzept des schlichten Wabi-Tee geprägt. Die einflussreichen Teemeister Takeno Jōō (1502-1555) und Sen no Rikyū waren damals von der Einfachheit der koreanischen Ido Schalen sowie von der ungeschmückten Schönheit der japanischen Keramik wie Bizen oder Karatsu beeindruckt. So wurde zum ersten Mal japanische Keramik mit Wabi-Sabi Ästhetik in der Teezeremonie in den Vordergrund gerückt.
Um den Wert der Teeschalen in der Teezeremonie entstand sogar ein Sprichwort mit folgendem Ranking: #1 Ido, #2 Hagi, #3 Karatsu. Oder in einer Abwandlung davon: #1 Raku, #2 Hagi, #3 Karatsu. In beiden Fällen war Karatsu Keramik in hohen Ehren gehalten und erreichte in der Momoyama Zeit ihren stilistischen Höhepunkt. Es wird geschätzt, dass es damals über 300 Werkstätten in der Karatsu Gegend gab.
Mit der Meiji Restauration (1868-1912) ging leider, wie in vielen Teilen Japans, auch die Karatsu Keramik zurück, da viele Öfen nicht mehr den Schutz und die Förderung der lokalen Daimyos genießen konnten und industrielle Fertigung die Überhand nahm. Eine Familie allerdings konnte über 14 Generation ununterbrochen weiterarbeiten: die Familie Nakazato.
Karatsu Keramik - E-Garatsu Gefäß, Momoyama Era (1573–1615)
The Metropolitan Museum of Art
Dr. and Mrs. Roger G. Gerry Collection, Bequest of Dr. and Mrs. Roger G. Gerry, 2000 - 2002.447.21
Renaissance der Karatsu Keramik
Die Familie Nakazato war eine der drei Familien, die als offizielle Töpfer vom lokalen Daimyo Terazawa ernannt wurden. Laut dem Schild am Eingang des historischen Anagama Ofens der Ochawandori in Karatsu, baute die Familie Nakazato mit der Familie Oshima einen ersten Ofen in Karatsu, bevor sie 1734 den 27,5 Meter langen Anagama Ofen in der heutigen Ochawandori errichteten. Als durch die Meiji Restauration (1868-1912) die Förderung des lokalen Feudalherren wegfiel, wand sich die Familie Oshima von der Keramik ab. Die Familie Nakazato jedoch führte diesen Ofen bis in die Taishō Zeit (1912-1926) weiter. In den 1970‘ Jahren hat Nakazato Muan, 12. Generation, viel dazu beigetragen die lokalen Stilarten wieder aufleben zu lassen. Dafür wurde er 1976 zum Living National Treasure für Karatsu ernannt. Heute ist Nakazato Tarouemon XIV der offizielle Repräsentant der langen Nakazato Linie.
In den 1980‘ wurde Karatsu Keramik auch als Traditionelles Kunsthandwerk durch das Wirtschaftsministerium ernannt. Heutzutage sind ca. 70 eigenständige Keramiker in Karatsu und Umgebung tätig. Sie arbeiten aus der lokalen Tradition heraus, unterscheiden sich aber durch ihre eigenen Innovationen und Ideen.
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Karatsu Keramik Stile
Karatsu Keramik Stile
Das spannende an der Karatsu Keramik ist ihre Vielfalt an Stilen. In allen Fällen verbindet sie eine rustikale Eleganz und der lokale Terroir.
- E-garatsu
E - 絵 - bedeutet „Zeichnung“. E-Karatsu ist eine mit Eisenoxid bemalte Keramik und ist wahrscheinlich der repräsentativste Stil Karatsus mit ihrer verhaltenen Wabi-Sabi Eleganz. Sie lässt auch mehr als die anderen Stile den lokalen Ton, der durch die transparente Glasur zum Vorschein kommt, für sich sprechen. Die Motive sind aus der lokalen Natur inspiriert, wie z.B, die kleinen typischen Kiefern, die im Matsubara Kiefernhain in Hamasaki den Strand der Karatsu Bucht säumen. Die Eloquenz des Pinselstrichs ist maßgebend für den Wert der Kreation.
Karatsu Keramik - Ōzara (großer Teller) mit Kiefernmuster, Frühes 17 Jhdt
The Metropolitan Museum of Art
Mary Griggs Burke Collection, Gift of the Mary and Jackson Burke Foundation, 2015
2015.300.266
- Chōsen Karatsu
Chōsen bedeutetet auf Deutsch „Koreanisch“ und weist auf den Einfluss der Glasuren aus Korea hin. Dieser Stil vereint zwei kontrastierenden Glasuren - eine cremefarbene Glasur, basierend auf Reishülsenasche und eine dunkle, eisenhaltige Glasur – die ineinander, vertikal oder horizontal, verschmelzen. Die Qualität und Feinheit des Übergangs, die daraus entstehenden farblichen Nuancen, prägen die einzelnen Stücke.
- Mishima Karatsu
Diese Technik steht nicht im Zusammenhang mit der Stadt Mishima in Shizuoka. Sie ist eine Einlege- oder Intarsientechnik, die von den koreanischen Korai Teeschalen aus der Koryo Periode (935-1392) inspiriert ist. Motive werden mit Stempel in den lederharten Ton gestanzt, bevor sie mit weißer Engobe überzogen werden. Durch behutsames Abkratzen der überschüssigen Engobe kommt das Muster auf dem dunklen, eisenhaltigen Ton gut zum Vorschein. Transparente Glasur versiegelt die Keramik.
- Hakeme:
Die Hakeme Technik ist von der Buncheong Keramik aus Korea inspiriert, welche im 15. Und 16. Jahrhundert in der Joseon Epoche (1392-1910) starken Anklang fand. Hier wird auf dem lederharten Ton mit einem groben Pinsel aus Zweigen oder Reisig eine kontrastierende Engobe aufgetragen. Auch hier wird danach meistens mit einer transparenten Glasur gebrannt.
- Madara Karatsu:
Dieser Stil ist ebenfalls eine glasierte Keramik, jedoch meistens ohne Motive. Die milchige Strohasche Glasur zeichnet sich hier durch die bläulichen Flecken oder Spots aus, die der Glasur den Madara Namen verleihen und durch chemische Reaktionen des Eisens mit der Glasur im Holzbrand entstehen.
- Weitere Stile:
Es gibt noch weitere Stile, welche auf unterschiedlichen Glasuren basieren, wie Kuro-, Ao- oder Ki-Karatsu. Einige davon sind historische Imitate aus der Seto / Mino Region im Osten Japans. Umgekehrt hatten damals auch viele Werkstätten in Osten Japans Stile der Karatsu Region übernommen, um den lokalen Markt zu bespielen. Weiters sind auch Okugōrai, Kushime Karatsu, Jakatsu Karatsu, Nisai Karatsu etc. zu finden.
Karatsu und Yōnobi (用の美) – Schönheit durch Gebrauch
Karatsu Keramik verkörpert vollends das ästhetische Konzept Yōnobi (用の美). Yōnobi bedeutet Schönheit durch Gebrauch und erst der Gebrauch vollendet in der Meinung der Töpfer den Sinn und die Schönheit der Gefäße. Ihre schlichte, rustikale Eleganz soll die Gerichte, den Tee oder den Sake hervorheben und mit ihnen harmonieren.
Durch die langjährige, liebevolle Nutzung der Karatsu Keramik zeichnet sich mit der Zeit auch eine Patina ab. Vor allem in der Teekeramik verfärben sich mit der Zeit die Spuren in den feinen Rissen der Glasur. Diese Patina ist ein Zeugnis der Zeit und die Keramik ein vertrauter Begleiter, ein Lieblingsstück, das jeden Tag aufs Neue Freude bringt.
Bibliographie und Links:
Karatsu – Yakimono Renaissance, Tonbo Books, Keisuke Aoyagi
Japanese ceramics from the Tanakamaru collection / text and catalogue by Nagatake Takeshi : an exhibition organized in collaboration with The Japan Foundation, The Metropolitan Museum of Art, New York, November 9, l979-January 6, l980 ; Seattle Art Museum, Seattle, February 7-March 30, l98 (https://libmma.contentdm.oclc.org/digital/collection/p15324coll10/id/77356)
https://www.moco.or.jp/en/facilities/map/b.html
https://www.jtco.or.jp/en/japanese-crafts/?act=detail&id=288&p=41&c=31